03.07.83

Friedenswerkstatt Berlin 1983

Die Journalistin Marlies Menge berichtete von der Friedenswerkstatt am 3. Juli 1983 auf dem Gelände der Berliner Erlöserkirche in der Zeitschrift "Die Zeit" u. a. über den "Verfasser" K., worin die Staatsführung Nachrichten sah, die "geeignet waren, die Interessen der DDR zu schaden".
- Martin Luther King: Schöpferischer Widerstand -

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Friedenswerkstatt am 3. Juli 1983 auf dem Gelände der Berliner Erlöserkirche

         

Jemand fragt, ob er ein Foto machen darf. Verfasser K. stellt sich mit seinem Plakat in Positur. Dass der Fotograf ein Mitarbeiter der Staatsicherheitsdienstes ist, weiß K. nicht und interessiert ihn auch nicht. Plakat:

Mit den Worten: "Die Atombombe in der Arbeiterhand
ist der Garant für den Frieden" fristlos entlassen
Pazifist fordert Aufhebung des Berufsverbotes

Martin Luther King: Schöpferischer Widerstand
Gütersloher Taschenbücher / Siebstern 576

Während der Weihnachtsferien im Jahre 1949 las ich in meinen Mußestunden Karl Marx, um verstehen zu können, warum der Kommunismus eine solche Anziehungskraft für viele Menschen hat. Zum erstenmal prüfte ich sorgfältig "Das Kapital" und "Das Kommunistische Manifest". Ich las auch ein paar erläuternde Werke über Marx und Lenin. Beim Lesen dieser kommunistischen Schriften überzeugte mich manches, was ich bis heute noch für richtig halte.

Ihre materialistische Interpretation der Geschichte verwarf ich. Der Kommunist, bewußt säkularistisch und materialistisch, hat keinen Platz für Gott. Das konnte ich niemals akzeptieren, denn als Christ glaube ich, daß es in diesem Universum eine schöpferische, persönliche Macht gibt, die der Grund und das Wesen aller Realität ist, eine Macht, die mit materialistischen Begriffen nicht erklärt werden kann. Im letzten Grunde wird Geschichte durch den Geist und nicht durch die Materie bestimmt. Auch dem ethischen Relativismus des Kommunismus konnte ich ganz und gar nicht zustimmen. Da es für den Kommunisten keine göttliche Führung, keine absolute moralische Ordnung gibt, gibt es auch keine festen, unwandelbaren Grundsätze. Infolgedessen ist fast alles - Macht, Gewalt, Mord, Lüge - vom Ziel her gerechtfertigt. Dieser Relativismus war mir zuwider. Ein positiver Zweck kann niemals negative Mittel rechtfertigen, da letzten Endes der Zweck im Mittel schon vorgegeben ist. Außerdem bekämpfte ich den politischen Totalitarismus des Kommunismus. Beim Kommunismus endet das Individuum in der Unterwerfung unter den Staat. Gewiß, der Marxist würde sich damit verteidigen, daß der Staat nur eine "Übergangslösung" ist und abstirbt, sobald die klassenlose Gesellschaft in Erscheinung tritt. Aber der Staat ist das Ziel, solange er besteht, und der Mensch ist nur ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Und wenn die sogenannten Rechte oder Freiheiten eines Menschen diesem Ziel im Wege stehen, werden sie einfach beiseite gefegt. Die Freiheit, seine Meinung zu äußern, zu wählen, die Nachrichten anzuhören, die er gern möchte, sich seine Bücher selbst auszuwählen, ist eingeschränkt. Der Mensch ist beim Kommunismus kaum mehr als ein Rad im Getriebe des Staates, ohne persönlichen Wert.

Diese Mißachtung der persönlichen Freiheit widerstrebte mir. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß der Mensch ein "Ziel" ist, weil er ein Kind Gottes ist. Der Mensch ist nicht für den Staat gemacht, sondern der Staat für den Menschen. Wenn man dem Menschen die Freiheit nimmt, beraubt man ihn seiner Persönlichkeit und würdigt ihn zu einer Sache herab. Der Mensch darf niemals für die Zwecke des Staates mißbraucht werden, sondern muß selbst immer das Ziel sein.

...

Ich suchte auch systematische Antworten auf Marx' Kritik der modernen Gesellschaft. Er stellte den Kapitalismus so dar, als sei er im Grunde ein Kampf zwischen den Eigentümern der Produktionsmittel und den Arbeitern, die Marx als die wirklichen Produzenten ansah. Marx interpretierte die ökonomische Entwicklung als einen dialektischen Prozeß, in dem die Gesellschaft vom Feudalismus über den Kapitalismus zum Sozialismus fortschreite; der primäre Mechanismus, der diese geschichtliche Entwicklung bestimme, sei der Kampf zwischen den gesellschaftlichen Klassen, deren Interessen sich unversöhnlich gegenüberständen. Diese Theorie ließ offensichtlich die zahlreichen bedeutsamen politischen, wirtschaftlichen, moralischen, religiösen und psychologischen Beziehungen und Verkettungen außer acht, die eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der vielen aufeinander bezogenen Einrichtungen und Ideen spielten, die heute als westliche Zivilisation bekannt sind. Außerdem war diese Theorie insofern überholt, als der Kapitalismus, über den Marx schrieb, nur zum Teil Ähnlichkeit mit dem Kapitalismus hat, den wir heute in unserem Lande kennen.

Martin Luther King

Information der Bezirksverwaltung

Der Zeitungsartikel in der Zeitschrift "Die Zeit" war Teil der politischen Straftat "Ungesetzliche Verbindungs-
aufnahme" § 219 StGB-DDR und führte zu einem Urteil von 3 1/2 Jahren Haft:

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